Installation / Museum der bildenden Künste
(während der Laufzeit des Festivals / vom 16.-27.4.)
1. OG, Mittelhalle
freier Zugang mit Dauerkarte

EXPANDER V – FMCAeKD

BRD 2008

Regie, Kamera: Prinz Gholam
Courtesy Galerie Jocelyn Wolff
Farbe
sound / kein Dialog
Laufzeit: Loop (20 min)

FMCAeKD hat auf den ersten Blick den Anschein eines Tableau vivant. Doch PRINZ GHOLAM stellen nicht nach. Ihre Arbeit ist kein Reenactment der von ihnen adaptierten Bilder; eher schon ein projizieren des Selbst (im Sinne Minor Whites, nach dem der Fotograf sich in alles was er sieht selbst hinein projiziert, sich identifiziert, um, was er sieht, besser zu erkennen und zu fühlen) in die von ihnen gewählten Ausschnitte aus Ikonen der Kunstgeschichte. Wenn der Betrachter Courbets „Mädchen am Ufer der Seine“ (1856/57) oder „Venus und Adonis“ von Tizian (1555/60) zu erkennen meint, wenn ihm Hans Baldung-Griens „Maria mit dem Kinde“ (1539) anzuklingen scheint, dann findet er in der Tat die Vor-Bilder zur Arbeit des Duos, doch geschieht dies auf einer tabula rasa. Das Set weist eine scheinbar sorgfältig inszenierte Neutralität auf. Diese Reduktion ermöglicht erst die Ausweitung des Gestus auf seine soziale Relevanz. Ihre Art der Appropriation, der Aneignung, ist ein Destillieren der Bilder. Die räumliche Situation, historisches Umfeld, Geschlecht, geschichtlicher Bezug usw. werden off screen verschoben um sich völlig auf das Kraft- und Machtverhältnis zweier Figuren zu konzentrieren. Der dabei beschrittene choreografische Weg weißt in viele Richtungen, zielt jedoch immer auf ein kollektives Archiv des klassischen Bilderkanons. Um nun aus diesem heraus zu erkennen, stehen dem Betrachter als Hilfsmittel seine internalisierten Werte nur mit einer Verschiebung ihres abgesicherten Modus zur Verfügung: Die im Vor-Bild schlummernde theatrale Intrige tritt in den Hintergrund, tradierte Identifikationsprinzipien, soziale Beziehungen und Konventionen im und zum Bild werden aufgebrochen. „Sich nicht von einem Bild (und seinen Einschreibungen) tyrannisieren zu lassen und statt dessen eine eigene Beziehung zu ihm zu suchen scheint [...] ein Leitgedanke des Künstlerpaars Prinz Gholam [...] zu sein“, so Maren Lübbke-Tidow in der „Camera Austria“. Diese Suche geschieht für die Künstler selbst durch „ein vibrierendes Verharren oder Angehalten-Sein“ (Prinz Gholam) im Kontrast zu den Umgebungsgeräuschen. "Durch diese vibrierende Ruhe erhält das Verhältnis zwischen Verkörperung und Subjektivität selbst eine neue Gestalt. Die Ruhe operiert auf der Ebene des Wunsches des Subjekts, ein bestimmtes Verhältnis zur Zeitlichkeit und damit zu körperlichen Rhythmen umzukehren. Die Ruhe zu praktizieren heißt, sich mit Hilfe einer vibrierenden Körperhaltung auf eine andere Erfahrung der Wahrnehmung der eigenen Subjektivität einzulassen.
Auf ebendiese Position bezieht sich die Kulturtheoretikerin und Psychoanalytikerin Suely Rolnik mit ihrer Vorstellung des 'vibrierenden Körpers' (corpo vibrátil) als einer tiefen Auskultation, das heißt eines tiefen Horchens nach der klanglichen Dichte der Welt, die überall im Subjekt wiederhallt. Nach Rolniks Ansicht ist eine solche Auskultation grundlegend für die kreative Neugestaltung der Beziehung des Subjekts zur Welt, zu seiner eigenen Subjektivität und zu seinem Körperbild."(1)
Die Weiterentwicklung ihrer ursprünglich fotografisch ausgeführten Arbeiten auf Performance und schließlich Video beinhaltet die Möglichkeit, die in diesen Medien liegenden Mechanismen der Selbstprojektion des Betrachters als Handlungsoption zu verstärken. Denn die „Realität der Welt liegt nicht in ihren Abbildern, sondern in ihren Funktionen. Funktionen sind zeitliche Abläufe und müssen im zeitlichen Kontext erklärt werden. Nur was fortlaufend geschildert wird, kann von uns verstanden werden.“ schreibt Susan Sontag in „Über Fotografie“.
Die Arbeiten von Prinz Gholam haben die faszinierende Eigenschaft, die in Film und Theater der Erzählung so oft im Wege stehende - Ereignis und Betrachter trennende - „Vierte Wand“ mühelos zu überwinden.
Video ergo cogito.

(1) "Am ruhenden Punkt der kreisenden Welt" Die vibrierende Mikroskopie der Ruhe von André Lepecki, in: ReMembering the Body, Gabriele Brandstetter und
Hortensia Völkers(Hrsg.), Hatje Cantz, 2000, 354f.